Freitag, 30. November 2012

Hertha BSC - 1. FC Köln: Geglückter Fanprotest, Kritik am Fanprojekt und ein famoser Torjubel


[ge]lauscht: Der Stille in den ersten zwölf Minuten. Muss man vor Ort - und nicht am Fernsehen - erlebt haben. Denn die Attraktivität der gesamten Veranstaltung fällt mit gelegentlichem Applaus ins Bodenlose.

[ge]dacht: Das hat richtig Wirkung! Denn es zeigt einfach, was den Fußball wirklich ausmacht. Auch wenn das Geld woanders herkommt.

[ge]sessen: In den ersten zwölf Minuten im Kölner Block. Dann aufgestanden.

[ge]lacht: …und zwar herzlich: Kanon-Gesänge gegen den Deutschen-Fußball-Bund von Kölnern und Herthanern. Kaum waren die beendet, schmetterten die Herthaner ein Anti-Köln-Lied. Die Kölner bemühten sich schnell auch noch was Fieses hinterherzurufen. Aber das Schmunzeln überwog doch eindeutig.

[ge]dacht: Ein handzahmer, tiefenentspannter Gästeblock mit rund 2000 Leuten. Hinter mir machte jemand noch seine Mathehausaufgaben. Das soll also eine der schlimmsten Fangruppen Deutschlands sein?

[ge]standen: Neben Andreas, der Sonntag gegen Ingolstadt sein 200. (!!) FC-Pflichtspiel in Folge sieht. Nicht auf Sky, sondern vor Ort, im Stadion! Wahnsinn.

[ge]freut: Schön heimelig und familiär so ein Gästeblock an einem Donnerstagabend in Berlin.

[ge]sehen: Ein sehr trostloses Olympiastadion. Drei Grad, Regen, Wind, die halbe Haupttribüne im Oberring geschlossen, ebenso der Oberrang im Gästeblock. Ja, es ist erst ein Jahr her, als wir hier als ambitionierter Erstligist standen. Lieber nicht dran denken…

[ge]ärgert: Dass das Kölner Fanprojekt keine Leute an Autobahnraststätten aufsammelt. Auch nicht, wenn es seriöse, vertrauenswürdige und vor allem langjährige Mitglieder UND (Auswärts)Dauerkarteninhaber sind. Dienst nach Vorschrift ist das eine. Aber ein bisschen Fingerspitzengefühl das andere. Wenn man den wirklich allertreusten der Treuen, die für das Spiel zwei Urlaubstage opfern, eine solche Fahrt zusätzlich erschwert, finde ich das absolut nicht in Ordnung.

[ge]wärmt (worden): Durch den Schal, den mir das FanProjekt vor einiger Zeit für zehn Jahre Mitgliedschaft geschenkt hat. Muss man dann ja auch sagen.

[ge]dacht: Leider schlechte Stimmung im Block. Schon in der Mitte des Unterrangs hörte man kaum mehr, was unten gesungen wurde. An diesem Abend, in dieser Liga und in dieser Situation verbietet sich aber Kritik an Auswärtsfahrern, finde ich. Erstaunlich laut dagegen der Heimblock. Das hat mich wirklich überrascht.

[ge]jubelt: Die Sekunden, für die man sich an diese Orte begibt: Abends unter der Woche mit ein paar wenigen Verrückten in Führung zu gehen. Momente, in denen sich solche Abende ins extreme Gegenteil umkehren können.
 
[ge]lacht: Alleine die ungläubigen Torjubel von Kevin McKenna sind es wert, dass er auch weiter trifft.

[ge]wundert: Über das millionenschwere Dach des Olympiastadions, das zwischen Lichtanlage und gläsernem Vordach unfassbar undicht ist.

[ge]sehen: Eine Toilette im Gästeblock ohne Aufkleber. Da hat jemand zwischen den Spieltagen aber immer ganz schön viel Arbeit.

[ge]habt: Einen Ohrwurm. Nach dem Spiel. Allerdings von einem Hertha-Song.

[ge]freut: Über Spieler, die sich nach dem Abpfiff vor die Kurve gestellt haben. Und den Fans nicht routiniert, sondern anerkennend applaudierten.



Sonntag, 21. Oktober 2012

Jahn Regensburg - 1. FC Köln

Sonntag, 16. September 2012

1. FC Köln: Ex-Spieler bei 12 der 17 übrigen Zweitligisten

Der FC und seine Ex-Spieler - in der Vergangenheit war das häufig eine für unseren Klub unangenehme Geschichte. Dann nämlich, wenn die Ex-Spieler besonders motiviert gegen den Effzeh zu Werke gingen. Zuletzt bezwangen uns Carsten Baumann, Tobias Nickenig und Oliver Schröder mit Erzgebirge Aue. 

Auf Grundlage des Kicker-Sonderheftes habe ich einmal rausgesucht, in welchen Klubs noch weitere Ex-FC-Spieler und Trainer sich in dieser Saison auf uns freuen.

Ganz schön erstaunlich: Insgesamt gibt's in 12 der 17 übrigen Zweitligisten Spieler oder Trainer mit FC-Vergangenheit.


Hertha BSC
Jos Luhukay, Co-Trainer von 2002-2005. Nach der Entlassung von Friedhelm Funkel auch kurzzeitig Interimscoach.
Marcel Ndjeng, ne kölsche Jung, von 1996 - 2004 im Klub.

1. FC Kaiserslautern
Enis Alushi, von 2003 - 2007 bei den FC-Amateuren. Dauerbrenner im Südstadion.

FC St. Pauli
Florian Kringe, von 2002-2004 beim FC, hat ein paar schöne Tore in der 2. Liga gemacht.
Marius Ebbers, von 2003-2005 im Klub. Unvergessen seine beiden Tore zum 3:2 Sieg gegen Dynamo Dresden nach 0:2 Rückstand in der Saison 2004/2005.
Christopher Buchtmann, kurz vor Saisonstart gewechselt, trägt bei St. Pauli nun die Nummer 10

Union Berlin
Michael Parensen, von 2007 bis 2009 bei den Amateuren aktiv. Ist mir jedoch nicht weiter aufgefallen.
Simon Terodde, kam 2009 über Düsseldorf zu den FC-Amateuren, traf im Dezember 2010 im unsäglichen Pokalspiel gegen Duisburg für die Profis

MSV Duisburg
Roland Müller, Torhüter, von 1998 (da war er 10) bis 2010 im Verein. Hat bereits 5 Länderspiele für die Philippinen. Hab den Namen ehrlich gesagt noch nie gehört
Daniel Brosinski, von 2008 bis 2010 beim FC, unvergessen sein Spiel bei Bayern München: erfolgreicher Ribery-Manndecker und Torschütze beim 2:1 Auswärtssieg

VFL Bochum
Lukas Sinkiewicz, von 1996 bis 2007 im Verein, FC-Kapitän, Nationalspieler, dann nach Leverkusen.

FC Ingolstadt
Marvin Matip, 2005 vom VFL Bochum als Riesen-Talent zum FC gekommen, konnte sich nie wirklich durchsetzen.
Moritz Hartmann, spielte von 2006 bis 2009 bei den Amateuren

FSV Frankfurt
Björn Schlicke, kam vom HSV, spielte die Saison 05/06 beim FC, zunächst sogar als Kapitän. Unvergessen: Sein Elfmeter zum 1:0 am 1. Spieltag gegen Mainz in der 90. Minute.

Erzgerbirge Aue
Carsten Baumann, verbrachte die meiste Zeit seines Fußballerlebens in Köln, ehe er 1998 zum BVB wechselte.
Tobias Nickenig, von 2007-2012 beim FC, unter Christoph Daum zwischendurch auch in der 1. Mannschaft
Oliver Schröder, von 2002-2004 beim FC, damals eine Leihgabe von Hertha BSC

SV Sandhausen
Timo Achenbach, von 2004-2005 beim FC und damals erfahrener U21-Nationalspieler

VfR Aalen
Ralph Hasenhüttl, stets sympathischer Typ, in der Aufstiegssaison 99/00 beim FC.

Jahn Regensburg
Christian Rahn, von 2005 - 2006 beim FC, 5-Länderspiele. Kam damals im Winter vom HSV.
Thiemo Jerome Kialka, Jahrgang 1989, spielte von 2007 bis 2012 beim FC.

Sonntag, 2. September 2012

Kevin Pezzoni: Shitstorm der Primaten


Eigentlich ist es eine nur logische Entwicklung. Man nehme: Die miserable Diskussionskultur auf Facebook und vermische sie mit der Überhöhung von Fußballspielern in der Bundesliga. Dazu einen vielleicht zu sorglosen Verein und eine Menge dämlicher unbedachter Leute irgendwo am Bildschirm.

Die Folge bei Erfolglosigkeit: Der Shitstorm für Fußballspieler. Wuchtiger, aggressiver und vermutlich viel verletzender, als man ihn bei anderen Themen kennt. Fußball ist Emotion, das verstärkt zeigt uns das Fernsehen und das nehmen wir nur zu gerne auf. Mehr noch: Fußball ist emotional wie nie.

Man kann sagen: Das ist für die Spieler der Preis, wenn man im Mittelpunkt steht. Zu einem gewissen Teil ist das richtig. Ich behaupte aber: Im kollektiven Dummheitstaumel verliert ein Großteil jedes Maß. Der Fußballer als nützlicher Idiot.

Kevin Pezzoni musste in der vergangenen Woche eine beeindruckende Ansammlung von Schwarmdummheit ertragen. Er hat schlecht gespielt, er hätte nicht spielen sollen. Er hat Fehler gemacht, die mitentscheidend für den schlechten FC-Start waren.

Und dann liest er, wie ihn Tausende Leute bei Facebook beschimpfen, sagen, dass er endlich abhaun soll. Und dann sieht er, wie sich eine Gruppe bildet, der ihm auf die Fresse hauen will und Hunderte dieser Gruppe beitreten. Und dann stehen da tatsächlich Leute vor seiner Tür.

Niemand kann es ihm übel nehmen, dass er nie wieder etwas mit diesem Verein zu tun haben möchte. 

Was ist das für ein Denken? Der nützliche Idiot, der soll uns also dankbar sein, sonst ziehen wir mal ganz andere Seiten auf? Und Facebook als perfekter Verstärker. Und wenn sich alles wie bei einem Brennglas fokussiert - umso besser und einfacher.

Allerdings: Wer sich wie eine Bande von Primaten benimmt, der darf sich nicht wundern, wenn er von den Spielern auch als solche angesehen wird.

Nun sind sich wieder alle einig: Das darf es nicht geben. Die so genannten "echten" Fans machen so etwas nicht. Einige wenige Idioten. Und natürlich: Jeder sollte doch bitte auch einmal über sich selbst nachdenken. Das ist gut gemeint: Im Profil-Fußball aber wohl einer der wirkungslosesten Sätze, die es überhaupt gibt. Denn eines ist ganz gewiss: Irgendetwas ändern wird sich durch diesen Vorfall  nicht

In der Bundesliga-Welt ist alles auf Dienstleistung ausgerichtet. Beim FC habe ich meine Kundennummer. Das Verhältnis zwischen Zuschauer und Spieler hat sich im vergangenen Jahrzehnt stark professionalisiert - besonders von Seiten der Zuschauer. Das muss man nicht gut oder schlecht finden, man sollte es aber zur Kenntnis nehmen. Welche Folgen das auch haben kann, sehen wir nun bei Kevin Pezzoni.

Derzeit bin ich froh, nicht zu Heimspielen fahren zu können und nicht unter allen diesen längst abgestumpften Zynikern sitzen zu müssen, die schon viel zu lange eine Dauerkarte haben und sich jahrelang schlechte Spiele ansehen mussten. Ich genieße es, im Auswärtsblock zu stehen, mit 2000 Leuten, die ihren Verein unterstützen. Ich finde es gut, dass die aktive Szene geduldig ist und hinter dem Neuanfang steht. Und ich würde mir wünschen, dass einige Leute nicht ihr Hirn abgeben, wenn sie anfangen, an den FC zu denken.

 

Dienstag, 7. August 2012

Eintracht Braunschweig - 1. FC Köln: Das hat Spaß gemacht, Jungs!


Das Gegentor, der Schlusspfiff, der aufgekratzte Herzschlag in den letzten Minuten - das waren die hässlichen Momente bei der 0:1 Niederlage des 1. FC Köln bei Eintracht Braunschweig. 

Es mag treudoof klingen, aber der Tag bleibt mir insgesamt in guter Erinnerung. Endlich befreit von Seilschaften der Vergangenheit, Mannschaft und Fans präsentieren sich ordentlich - das alles hat mir viel besser gefallen, als das fiese Gegurke eines zerfallenen Gebildes eine Liga höher. Bleibt nur die Frage, wie lange man so geduldig ist...

[ge]sehen: Die Meisterschale in der Frontscheibe eines FC-Busses auf dem Gästeparkplatz. Über den Fanclub-Namen schweigen wir genüsslich.
[ge]spürt: Unglaublich, wie heiß der Gästeblock drauf war, dass es wieder losgeht. Einige freuten sich wie kleine Kinder. Eine Stunde vor Spielbeginn: Das erste Klatschen, dann hallt zum ersten Mal ein "FC" durchs Stadion. Unbezahlbares Gefühl!
[ge]freut I: Fast alle FC-Spieler gehen nach Spielende am Zaun entlang und klatschen die Fans ab. Ich glaube, eine solche Nähe ist besonders wichtig: Denn in genau diesen Momenten schnappen die Spieler viel auf, hören aufmunternde Sätze und sehen den Leuten dabei direkt in die Augen. Wie oft ist das in den letzten Jahren passiert? Genau, nie. 

[ge]freut II: Die Unaufgeregtheit der Gastgeber. Eigentlich ist es zu erwarten, dass der Stadionsprecher im Moment des Schlusspfiffs alle Dämlichkeiten ablässt, die er während des Spiels nicht verlautbaren konnte. Diesmal das komplette Gegenteil. Nichtmal Party-Musik in überdrehter Lautstärke, auch vor dem Spiel nicht. Sehr, sehr angenehm.
[ge]wundert (oder auch nicht): Ordner am Gästeblock-Eingang, die in der Sommerpause mindestens so viel Zeit im Fitnessstudio und beim Tätowierer verbracht haben, wie die FC-Truppe auf dem Trainingsplatz
[ge]sungen: Viel und laut und das ganze Spiel. Ging aber auch gar nicht anders - weil ausnahmslos alle mitgemacht haben.
[ge]ärgert: Bier (0,5 l für 3 Euro) ohne Alkohol. Was sicher keine Überraschung war. Besonders bitter: Die Auswärtsspiele, wo es anders sein wird, kann man vermutlich an einer Hand abzählen.
[ge]dacht: Vielleicht wird's in einigen Monaten bei Auswärtsspielen ja wieder wesentlich familiärer.
[ge]fühlt (mit): Timo Horn. Durfte in der Vorbereitung keine wirkliche Parade zeigen. Konnte es diesmal auch nicht.
[ge]freut III: Über die Stimmung. Und die Anerkennung der Heimfans dafür.
nicht [ge]gessen: Die VW-Bratwurst für 2,5 Euro
[ge]kauft: Zwei eiskalte Bier. Auf der Rückfahrt an der Tankstelle.

[ge]merkt: Die Vorverkaufs-Taktik der Braunschweiger hat geklappt. Außerhalb des Gästeblocks waren kaum Kölner.
[ge]wundert (oder auch nicht) II: Polizei mit Schienbeinschonern, alle FC-Fans mussten auf einen seltsam improvisierten und blickdicht verpackten Parkplatz vor dem Gästeblock. Jeder Fan betrat das Stadion durch ein Nadelöhr mit mehreren Durchlässen. War vermutlich alles hochimprovisiert, wirkte aber sorgfältig ausgedacht. 
[ge]dacht: Der Trend geht ja dahin, alle taktischen Feinheiten neuerdings auseinander zu nehmen. Wie kann man Poldolski perfekt in Szene setzen? Was ist nun wirklich die hohe Schule des Fußballspiels? In der 2. Liga wird das alles ein wenig zurückgefahren - auch die Ansprüche. Wirkte am ersten Spieltag richtig wohltuend.


Freitag, 25. Mai 2012

Der Abrisswahn und die Folgen

Von der Stimmungshochburg zur Plastikschalenwüste. Nach 86 Jahren wird das Georg-Melches-Stadion an der Hafenstraße in Essen abgerissen. RW Essen spielt künftig in einem Neubau wenige Meter weiter. Das ist gefährlich, denn häufig rauben neue Arenen den kleineren Traditionsklubs ihr Gesicht - anstatt sie zu sanieren.
Das Georg-Melches-Stadion in Essen im Jahr 2005. Hier wird nie wieder ein Fußballspiel stattfinden

Dies ist kein Beitrag für Leute, die 2006 auf der Fanmeile zum ersten Mal bewusst ein Fußballspiel gesehen haben. Und auch nicht für solche, deren Liebe zu Borussia Dortmund erst vor zwei Jahren wieder erstarkt ist. Dies ist ein Beitrag für Leute, die Montagsabends auf den - alten - Stufen am Millerntor gestanden haben, sich auf dem alten Tivoli gedrängt haben oder die gerne an die Hafenstraße gingen.

Ja, dieser Beitrag ist mit heißem Herz und nicht mit kühler Feder geschrieben. Das klingt vielleicht nach kitschiger Früher-War-Alles-Besser-Romantik, die mit den Bundesliga-Neubauten und der (überzeugenden) Wutrede von Uli Hoeness ("Eure Scheiß Stimmung") doch eigentlich überwunden geglaubt war. Das stimmt nicht ganz. Denn bei einigen Vereinen ist das Thema aktueller denn je. 

Die großen Klubs in Deutschland spielen längst modernen Arenen. Das ist nötig wie professionell, wenn man bedenkt, dass die Bedeutung des Fußballs niemals höher war als in der heutigen Zeit. Und wer will schon etwas gegen die Entwicklung sagen, dass Dortmund mit 80000 (!) Fans zum Pokalfinale nach Berlin kommt, dass hunderttausende Menschen Spiele zwischen dem BVB und Bayern sehen wollen, dass die Nationalspieler so populär sind, wie noch nie? Geschenkt.

Es geht in diesem Text nicht um die Großen, die die Massen begeistern - es geht um die Kleinen, besser gesagt: Die Kleineren, die früher Großen; und die, die den Fußball kennen, bevor er so populär wie heute wurde. Natürlich, sie eifern den Großen nach. Das aber bedroht sie in ihrem Wesen. 

Eng, enger, Tivoli. Damals renovierungsbedürftig, heute abgerissen.

Der neue Fertigbeton hat nicht nur Einzug die neuen Hauptorte der dritten Liga, wie Heidenheim und Wehen gehalten. Längst wurden damit auch die traditionsreichen Orte der Vergangenheit planiert. Ende der 90er Jahre wurden er zunächst auf der Bielefelder Alm verlegt, inzwischen ist er auch auf dem Bieberer Berg in Offenbach installiert, das Tivoli-Stadion in Aachen ist von einem Hexenkessel zur Plastikschalenwüste mutiert. Und nun wird auch in Essen ein neues Stadion gebaut.

Die Vereine betonen die Notwendigkeit kompletter Stadionneubauten. Weit am Horizont steht für sie irgendwo eine Rückkehr auf die große Fußballbühne. Was die Klubs dabei vergessen, sind die Faktoren, die ihren Verein noch immer attraktiv erscheinen lassen. Dinge, die bei Vereinen direkt unterhalb des Profifußballs viel wichtiger sind, als bei den Big-Playern, wo die Masse, die riesige Medienpräsenz, alles vieles ausgleicht.

Faktoren, wie die drei Tribünen von Essen, wie die Steh-Gegengerade in Bielefeld. Ein bisschen schief, ein bisschen unperfekt, ein bisschen alt - aber mit einer Verbindung zu dem, was den Verein ausmachte, als die Leute von ihm fasziniert wurden. Sie atmet Geschichte, erzeugt Atmosphäre. Natürlich modernisierungsbedürftig - allerdings: Nicht abrisswürdig!

Die richtige Balance zwischen Alt und Neu ist in vielen neuen Stadien der sogenannten Traditionsvereine mittlerweile ausradiert. Das ist gefährlich. Man kann eine neue Steh-Tribüne, wie in Offenbach bauen, die Faszination der alten wird sie nicht mehr erreichen. Man kann ein neues Stadion in Essen bauen - die alte Haupttribüne wird unerreicht bleiben. 

Die Alte Försterei in Berlin nach der Modernisierung. Der Charakter des Stadions wurde beibehalten.

Viele der Klubs setzen vor einem Neubau ihre ganze Hoffnung in eine moderne Arena. Motto: Wenn das Ding erstmal steht, wird schon alles gut. Dass eben nicht alles gut wird, das wird gerne vergessen. In Wahrheit blenden sie den ohnehin schmalen Grad zwischen Notwendigkeit und Flair des Klubs, das zunächst vielleicht Unbewusste, vollständig aus - die Finanzierung einmal völlig außen vor gelassen. 

Den Spagat zwischen neuem Stadion, neuer Begeisterung und Wahrung des Gesichts haben unterhalb der 1. und 2. Liga bislang jedenfalls viel weniger Vereine gemeistert, als man es zunächst annehmen konnte. 

Ja, ein neues Stadion ist wichtig für die Zukunft - genauso wichtig aber ist es, die Vergangenheit zu bewahren. Das gilt besonders für die Vereine, die kaum etwas anderes haben, als die schöne Erinnerung an frühere Zeiten.

Übrigens: Es gibt auch Beispiele, wo es vorbildlich gelungen ist, eine Spielstätte zukunftstauglich zu machen und zugleich ihren Charakter beizubehalten, wie etwa an der Alten Försterei in Berlin. Woanders kommt die Planierraupe.

Glaubt jemand ernsthaft, dass der neue Bieberer Berg das neue Sparda-Bank-Hessen-Stadion, die neue Hafenstraße anders werden als die Alm Schüco Arena, der Tivoli? Auf Jahre hinaus nehmen sich Vereine wie Offenbach und Essen mit den Neubauten ein Stück ihrer Faszination.

Mittwoch, 16. Mai 2012

Zu viel Fanatismus

Der Fußball hat eine emotionale Aufladung erreicht, die manchen Fans nicht gut tut. Vereine und auch die Deutsche Fußball Liga sollten daraus lernen.

Keine Erfindung der Düsseldorfer. Auch in Frankfurt (hier 2011) hat man Erfahrung in Sachen Platzsturm.

Ich brauche niemandem zu erzählen, welche Entwicklung der Fußball in den letzten 15 Jahren in Deutschland durchgemacht hat. Die Bundesliga hat neue Stadien bekommen, die Spielergehälter springen ebenso wie die Zuschauerzahlen auf immer neue Rekordhöhen. Kurz: Der Fußball ist so populär wie nie.
 

Das absurdeste Beispiel bietet mein eigener Verein: Der 1. FC Köln spielte in den 80er Jahren hocherfolgreich vor leeren Rängen im tristen Müngersdorf. Heute spielt er höchst unattraktiv vor vollen Rängen im modernen Stadion.

Was ist da passiert?

Die emotionale Aufladung des Spiels bewegt sich mittlerweile in Sphären, die früher nur schwer vorstellbar waren. Klar, Fußball war immer emotional und natürlich: Es gibt nichts Schöneres, als ein Torjubel für die eigene Mannschaft in der letzten Spielminute. Es scheint aber die Tendenz zu geben, dass wir mittlerweile ein Niveau erreicht haben, wo man einigen Leuten sagen muss: Hey, schaltet mal einen Gang zurück. Es ist Fußball.

Beim 1. FC Köln habe ich das in dieser Saison automatisch gemacht - sonst hätte ich mich vor Ärger ja völlig zerfressen. Meine Lebensfreude aufgrund einiger Menschen aufgeben, die ihre Sache nicht ernst nehmen und dafür noch Millionen verdienen? Nein!

Am Ende dieser Saison haben wir erlebt, dass es bei vielen Vereinen Gruppen gibt, die mit emotionalen Extremsituation nicht umgehen können, sei es in Karlsruhe, Köln oder eben im Stadion von Düsseldorf.

Wir sollten uns fragen, wie weit wir den Fußball noch in den Himmel heben wollen oder ob wir ihn nicht mal das betrachten sollten, was es ist: Ein Spiel, die schönste Nebensache der Welt. 


Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin auch weiter dafür, Montagsabends mit dem eigenen Verein nach Cottbus, Aue oder sonstwohin zu fahren. Verrückte Sachen zu machen, tolle Erlebnisse zu haben, seinen Klub zu lieben. In einigen Situationen ist es jedoch wichtig, das alles richtig einordnen zu können.

Nicht nur die Fans, auch die Deutsche Fußball Liga und die Vereine sollten sich hinterfragen: Wie viel Geld schmeißen die Klubs ihren Spielern hinterher? Und wie viel investieren sie im Vergleich, um ihre Fans mäßigend zu erreichen? Muss man im Zuge dieser riesigen Geldmaschine Bundesliga neben dem Profit nicht noch mehr an die eigene Verantwortung denken?

Und in Richtung DFL: Ist es richtig, den Terminplan mit einer Relegation am Ende der Saison noch einmal derart zuzuspitzen? Noch einmal eine große Bühne, ein finaler Showdown und damit noch einmal die ganz großen Emotionen nach Saisonende herauskitzeln zu wollen. Eigentlich eine tolle Sache.


Wenn man jedoch die Relegationsspiele in dieser Saison sieht, muss man sagen: Es ist zu viel.


Freitag, 13. April 2012

Frank Schaefer: "Wir können nichts versprechen"

Der neue FC-Trainer Frank Schaefer hat heute Nachmittag gemeinsam mit Geschäftsführer Klaus Horstmann eine Pressekonferenz im RheinEnergieStadion gegeben. Zuvor hatte er dort mit der Mannschaft die erste Trainingseinheit absolviert. Der 1. FC Köln hat auf seinem Youtube-Channel die gesamte Pressekonferenz eingestellt. Ich hab mir das 45-Minuten Video angeschaut und einige Passagen mitgeschrieben.

Klaus Horstmann über...

...die neue Situation:

"Die Mannschaft braucht die Unterstützung aller. Wir gehen davon aus, dass die Entscheidung auch zu einer vollen Mobilisierung der Zuschauer führen wird. Alle Entscheidungsträger tragen die Entscheidung zu 100 Prozent. Ich bedanke mich bei Frank und bei Dirk, dass sie die Verantwortung übernehmen."

...die Außendarstellung des Vereins:

"Nicht alles, was dem 1. FC Köln zugeordnet und als Chaos bezeichnet wird, rührt aus Entscheidungen der Verantwortungsträger des 1. FC Köln. Ich bitte zu berücksichtigen, was Entscheidungen sind und was letztlich dem Klub zugeordnet wird."

...ob Teile der Mannschaft Finke zurückhaben wollten:

"Es ist kein Spieler an mich herangetreten, um Volker Finke zurückzuholen"

...über den Zeitpunkt der Solbakken Entlassung:

"Ich habe bis Dienstagabend nicht mit einem anderen internen oder externen möglichen Kandidaten gesprochen. Ich habe erst nach der Niederlage gegen Mainz am Mittwoch die Sondierung der Alternativen vorgenommen. Wir hatten Mittwochabend ein gewisses Bild, wir hatten Donnerstagmorgen ein klares Bild."

"Wir sind Donnerstagmorgen zu der Überzeugung gekommen, dass Frank Schaefer die beste Lösung für diese Situation ist."

"Ich habe erst nach dem Mainz Spiel begonnen, mit Trainern zu reden, weil das meine Art ist, professionell zu arbeiten."

FC-Trainer Frank Schaefer über...

...die Situation:

"Der Verein befindet sich in der schwierigsten Situation der letzten Jahre, wenn man Tabelle und das Restprogramm sieht. Jeder muss wissen, dass die Stunde geschlagen hat. Trotzdem habe ich, wie Herr Horstmann schon sagte, keine Sekunde gezögert, als gestern die Anfrage von Seiten der Geschäftsführung kam."

"Vor dieser Stadt, vor diesen Fans und vor diesem Klub hätte ich es mir nie verzeihen können, wenn ich mich aus dieser Verantwortung gestohlen hätte. Klar ist, dass mich diese Aufgabe reizt. Wenn ich nicht vom Klassenerhalt überzeugt wäre, hätte ich diese Aufgabe auch nicht übernommen."

"Voraussetzung ist, dass wir uns absolut als Einheit präsentieren. Ich meine alle ehemaligen, aktuellen, zukünftigen, Mitarbeiter; Mannschaft, Fans, das Trainerteam, alle zusammen. Wir müssen eine Einheit darstellen, um diesen Kampf erfolgreich zu gestalten."

"Wir werden alles geben, wir werden alles geben, um dieses Ziel Klassenerhalt zu erreichen. Wir können nichts versprechen, aber wir werden alles dafür tun."

...über die Spieler, die zuletzt nicht im Kader waren:

"Wir werden bei Null anfangen. In der Vergangenheit ist eine Reihe von Dingen passiert, deren Wertung für mich extrem schwierig ist. Ich werde mir selbst ein Bild machen und auch selbst meine Entscheidungen treffen."

...das sogenannte "Solbakken-System":
"Wir reden hier von einem 4-4-2-System und das wird überall in der Welt gespielt. Worüber wir reden ist die Ausrichtung, wie die Spieler sich innerhalb des Systems bewegen. Da hat jeder seine eigenen Vorstellungen, die möchte ich in der Kürze der Zeit auf die Mannschaft übertragen."

...über die Aufgabe von Team-Manager Stephan Engels:

"Stephan ist ganz nah an der Mannschaft, im Trainingslager mit dabei, wichtiger Austauschpartner. Es wird nicht mit auf dem Platz sein, auch nicht mit in die Trainingsabläufe eingebunden sein." 

...über die Diziplin in der Mannschaft:

"Alles was kommt, wird sofort registriert und sanktioniert. Ich kann nur an die Spieler appellieren. Wir werden versuchen diese Einstellung, diesen Spirit, der von Nöten ist, um unser Ziel zu erreichen, um das auf die Spieler zu übertragen, das vorzuleben."

"Das waren Situationen, die nie und nimmer passieren durften."

...die erste Trainingseinheit:

"Ich hatte ein gutes Gefühl. Die Spieler waren willig, haben viele Dinge angenommen. Aufgrund dieser ersten Einheit: Es hat mir Spaß gemacht, mit den Spieler auf dem Platz zu stehen, Voraussetzungen auch den Spielern Erfolge zu vermitteln."

Sonntag, 22. Januar 2012

VFL Wolfsburg - 1. FC Köln: Abartiges Gefühl


Wer hinter Hannover über die A2 fährt, hat manchmal das Gefühl, auf einer Art Lebensader der Region zu sein. Biegt man irgendwo bei Braunschweig ab und fährt noch ein ganzes Stückchen über erstaunlich ausgebaute Straßen, gelangt man nach Wolfsburg. Entfernt von dieser Lebensader, im Nirgendwo Niedersachsens. Ein Ort für Bundesliga im Jahr 2012 - und ein Ort, um Niederlagen des 1. FC Köln zu sehen.
  
[ge]freut: Keine Parkplatzgebühr und hinterher nach zehn Minuten auf der Straße.
[ge]hört: Wolfsburger Fangesänge. So, wie ich sie nicht erwartet hätte.
[ge]staunt: Der Wolfsburg Stadionsprecher ernennt die Fankurve zur "Grün-Weißen Partyzone". Vielsagend.
[ge]standen: Im Oberrang Gästeblock, das ganze Spiel.
[ge]sessen: 15 Minuten in der Halbzeit.
[ge]trunken: Kaffee für 2,2 Euro. Annehmbar.
[ge]sehen: Vermutlich knapp 3000 Kölner, wenn man die auf der Gegengerade mit dazuzählt.
[ge]ärgert: Die ganzen Abseitsstellungen in der 2. Halbzeit.
[ge]frustet: In dem Moment, wenn ein spätes Tor gegen die eigene Mannschaft fällt. Es ist schon dunkel, der Tag fast vorbei, war bislang okay und bekommt dann so eine Wendung. Abartiges Gefühl.
[ge]hofft: Diesen fürchterlichen Tor-Song ("RamalaDingDong") nicht hören zu müssen. Vergeblich.

[ge]ängstigt: Von Christian Eichners Körpersprache. Machte den Eindruck, als würde er jeden Moment ineinanderbrechen, so zusammengekauert lief er über den Platz. Brust raus, Nase hoch, Junge! Dann wird das auch wieder was.
[ge]sorgt: Beim Blick auf die nächsten Gegner.
[ge]sucht: Lukas Podolski nach dem Spiel. War offenbar ganz schnell in der Kabine.
[ge]fühlt: Dreistellig Puls in der Nachspielzeit. Immer wieder erstaunlich, wie dieser Verein einen im Griff hat.

[ge]klopft: Hat Michael Rensing nach dem Spiel vor den Fans auf seine Brust. Und zwar dort, wo das Vereinswappen aufgestickt ist. Die Geste beherrschte sein Vorgänger übrigens auch.
[ge]zahlt: 20 Euro für nen Sitzplatz. Darüber kann man nicht meckern. Was einen schon wieder in einen Gewissenskonflikt bringt. Einerseits über die großzügigen Subventionen für Werksvereine schimpfen, andererseits kostenlose Parkplätze und günstige Tickets dort gerne abgreifen. Eindeutig ein Fall für "Die Gewissensfrage".